Grußwort zum Willy-Brandt-Preis 2022

Laudatio für Prof. Dr. Joachim Dorfmüller von Norwegens Außenministerin Anniken Huitfeldt.

Prof.  Dr. Joachim Dorfmüller  und Aussenministerin Anniken Huitfeldt.  Foto: Marte Lerberg Kopstad, MFA
Prof. Dr. Joachim Dorfmüller hat den Willy-Brandt-Preis für seine Leistungen für die kulturelle Beziehungen zwischen Norewegen und Deutschland erhalten. Foto: Marte Lerberg Kopstad, MFA

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Professor Dorfmüller,

es ist mir eine große Freude, heute im Namen der norwegischen Regierung die Laudatio zu Ehren von Herrn Joachim Dorfmüller zu halten.

Als Musikwissenschaftler und -pädagoge, Pianist und Organist hat er durch Forschung, Lehre und Ehrenamt unzählige Menschen erreicht.

Er hat das Wissen über Edvard Grieg und norwegische Musiker vorangebracht.

Und noch wichtiger – er hat dieses Wissen in Norwegen und Deutschland zusammengebracht.

Über ein halbes Jahrhundert hat sich Herr Dorfmüller den kulturellen und insbesondere den musikalischen Beziehungen zwischen unseren Ländern gewidmet.

Er schrieb schon seine Doktorarbeit zur norwegischen Klaviermusik,
bevor ich überhaupt auf der Welt war!

Sein Lebenswerk verdient unsere Hochachtung und unseren tiefen Dank.

Altkanzler Willy Brandt hat einmal gesagt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer.“

Und obwohl Joachim Dorfmüllers Arbeit zu den Dingen gehört, die ohne Zweifel von Dauer sind, kamen sie nicht von selbst.

Sein Doktorvater wollte, dass Student Dorfmüller seine Doktorarbeit über Musiktheorie aus dem Mittelalter schreibt.

Aber das wollte er nicht!

Er hat stattdessen ein norwegisches Thema ausgewählt.

Mutig –  aber definitiv die richtige Entscheidung.

Meine Damen und Herren,

Musik ist eine eigene Sprache. Weder deutsch noch norwegisch,
sondern eine kulturelle Sprache, die verbindet.

Dafür ist die Freundschaft zwischen Professor Dorfmüller und dem norwegischen Opernsänger Helge Birkeland ein schönes Beispiel:

1963 sollte Birkeland in Wuppertal ein Konzert geben. Aber der Pianist fehlte!

Herr Dorfmüller ist spontan eingesprungen. Und begeisterte sowohl Birkeland als auch das Publikum!

Das war der Beginn einer langen Zusammenarbeit mit vielen gemeinsamen Reisen und Konzerten in Norwegen.

Sicherlich verstanden sich die beiden auch menschlich und sprachlich sehr gut.

Die Liebe zur Musik war der Nährboden. Die Musik – die gemeinsame Muttersprache.

Ich sehe hier eine historische Parallele:

Vor gut 150 Jahren besucht der weltberühmte Geiger Ole Bull Edvard Grieg und seine Familie in Bergen.

Grieg ist fünfzehn Jahre alt und spielt Bull – ohne Vorbereitung –
einige seiner Kompositionen vor.

So ein wichtiger Moment für Griegs weiteren Lebensweg!

Nach dem Privatkonzert sagt Bull zu ihm: „Du musst nach Leipzig gehen und Musiker werden". Gedacht, gesagt, getan.

Zurück ins Jahr [neun-zehn-drei-und-sechzig]: Nach dem Konzert mit Birkeland in Wuppertal  sagt auch Joachim Dorfmüllers innere Stimme deutlich:

„Du musst nach Norwegen gehen und ein Brückenbauer werden“.
Gedacht, gesagt, getan.

So ganz versteht man Musik erst dann, wenn man den Hintergrund kennt und versteht – die Menschen, die Natur und die Kultur.

Wie Edvard Griegs guter Freund Bjørnstjerne Bjørnson schrieb:

„Kennst du den Fjord, so kennst du die Leute.
Wild  ist der Fjord in Sturm und Schlacht;
Ein anderer  ist er in Sommerpracht.“

Und kaum jemand kennt die Verbindungen zwischen der deutschen und norwegischen Musikszene besser als Herr Professor Dorfmüller.

Vom deutschen Barock über Beethoven, Mendelssohn,  Schumann und Bach  
bis in die norwegische Nationalromantik mit Bull, Kjerulf, Nordraak und Lindeman.

Und das Wandern in Griegs Spuren durch Jotunheimen, Telemark und Nordre Grong.

Joachim Dorfmüller hat all diese Eindrücke in sich aufgenommen und verarbeitet. Er hat sie weitergegeben und vermittelt.

Das erfordert nicht nur Wissen und Talent, sondern auch Fleiss und Ehrgeiz.

Und sein Ehrgeiz ist groß. In Griegs Worten: „Ehrgeiz ist eine der Haupt-Ingredienzen,  die zu dem gemischten Salat gehört, den man Künstler nennt.“

Was bedeutet das für Joachim Dorfmüller?

  • Präsident der deutschen Edvard Grieg Gesellschaft seit 1995

  • Mitglied in der Wissenschaftsakademie der Universität Agder seit 1997

  • Gründer der akademischen Orgelstunde an der Universität Münster

...um nur drei Beispiele zu nennen.

Herr Dorfmüller ist das, was wir in Norwegen als „ildsjel“ beschreiben.

Direkt übersetzt bedeutet es so viel wie eine „Feuer-Seele“.

Jemand, der mit ganz besonderem Engagement und Kraft für das Gemeinwohl arbeitet.

Jemand,  der für etwas brennt.

Edvard Grieg beschreibt seinen einzigen oder größten Erfolg so. Ich zitiere:

„daß ich  in mir selbst genügend Kraft hatte, all den überflüssigen Plunder  von mir zu werfen in dieser Kraft lag mein Heil und mein Glück.

Und sobald ich dieser Kraft bewußt wurde da verwirklichte sich,  was ich meinen einzigen Erfolg nennen möchte.“

Sicherlich kann man dieses Zitat auf verschiedene Weise interpretieren:

Ich verstehe es wie folgt:

Neben seinem außergewöhnlichen musikalischen Talent hat Grieg auch seine innere „Feuer-Seele“ entdeckt.

Den inneren Antrieb  und die Motivation, seiner Begabung zu folgen.

Und das war sein größter Erfolg.

Auch Herr Professor Dorfmüller // hat neben seinem musikalischen Talent– wie Edvard Grieg –  seine innere „Feuer-Seele“ entdeckt.

Den inneren Antrieb und die Motivation,  seiner Begabung zu folgen.

Zum Schluss möchte ich an das Zitat von Grieg anknüpfen:

Professor Dorfmüllers Arbeit ist nicht nur sein persönliches Heil und Glück –
sie ist unser aller Glück.

Deutschland ist Norwegens wichtigster Partner in Europa.

Sie, Professor Dorfmüller,haben über Jahrzehnte dazu beigetragen,
die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern  zu pflegen und zu stärken.

Sie verkörpern unsere enge Freundschaft wie kaum ein anderer.

Und dafür bin ich Ihnen als Außenministerin ganz besonders dankbar.

Lieber Herr Professor Dorfmüller,  herzlichen Glückwunsch 
zum „Willy-Brandt-Preis 2022“!